Ziegelphysik und andere urbane Mythen aus dem Baubereich: Lichtenfelser "Experiment" "Wärmedämmung dämmt nicht", "k-Wert nur stationär gültig", "U-Wert instationär ungültig", "Speichern ist besser als Dämmen", "Wärmedämmung sperrt die Sonne aus", "solarer Gewinn nur ohne Wärmedämmung" Mythen Pseudowissenschaft FAQ Links

Auf dieser Seite:
Zeitreise ins letzte Jahrtausend
Mythos 1: "Wärmedämmung dämmt nicht, weil sie die Sonnenwärme aussperrt"
Mythos 2: "Wärmedämmung dämmt nicht, weil der k-Wert (U-Wert) unter instationären Bedingungen ungültig ist"
Mythos 3: "Wärmedämmung dämmt nicht, weil sich Temperaturänderungen in Dämmstoffen schnell ausbreiten"
Mythos 4: "Der Energieverbrauch vermindert sich um die in der Wand eingespeicherte solare Energie"




Zeitreise ins letzte Jahrtausend

Zurück ins letzte Jahrtausend, ins Jahr 1983 (!), dem Erscheinungsjahr des Artikels "Ziegelphysik" - eine neue Bauphysik?, Versuch einer Definition, Dr. rer. nat. Güldenpfennig, Das Stuckgewerbe 36,8 (1983) 39-41:

"Seit etwa 2 Jahren werden sowohl in der Fachliteratur wie in der Tagespresse bauphysikalische Behauptungen über Außenwandkonstruktionen beobachtet, die den wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen. Alle diese zum Teil nicht nur unsachlichen, polemischen peudowissenschaftlichen Darstellungen kommen zu der gemeinsamen "Erkenntnis", daß die einschalige massive Wand aus Ziegelmauerwerk die beste aller Außenwandkonstruktionen ist und andere Außenwände in vielfacher Hinsicht mit "Nachteilen" behaftet sind.
...

1. Die "Ziegelphysiker" vertreten immer wieder die falsche These, daß für den winterlichen Heizenergiebedarf die wärmedämmenden Eigenschaften einer Wandkonstruktion - definiert durch den k-Wert - gegenüber dem Wärmespeichervermögen - ausgedrückt durch die Masse - von untergeordneter Bedeutung sind. ...

2. "Ziegelphysiker" wiederholen ständig die falsche Behauptung: Wärmedämmschichten vor massiven Außenwänden erhöhen den Heizenergieverbrauch, weil sie in der kalten Jahreszeit die Aufnahme von Sonnenenergie durch die Wand verhindern. ...

3. "Ziegelphysiker" vermeiden es tunlichst - wie sonst bei wissenschaftlichen Darstellungen üblich - Literaturstellen anzuführen. Ausnahme: Sie verweisen häufig auf den Vater ihrer Thesen, Herrn Paul Bossert.

4. "Ziegelphysiker" vermeiden auch tunlichst ihre Behauptungen durch geeignete nachprüfbare Versuchsergebnisse zu belegen.

5. "Ziegelphysiker" sind entweder über die bestehende Fachliteratur nicht informiert oder ignorieren sie.

6. "Ziegelphysiker" bemitleiden alle Hausbesitzer, die ihre Häuser nach den Erkenntnissen der Bauphysik und den Methoden der Energiespartechnik gebaut und dafür Geld ausgegeben haben.

7. "Ziegelphysiker" bedienen sich einer kräftigen bilder- und beispielreichen Sprache und sind schöpferisch im Erfinden neuer Titel für Bauphysiker, Bauingenieure, Architekten, Mitarbeiter von Ministerien, Baustoffherstellern und anderen.

8. Die Arbeiten und Veröffentlichungen von "Ziegelphysikern" werden oder wurden zum Teil durch PRS-Public-Relation-Systems, Dieter Stamm, Unternehmensberatung für Öffentlichkeitsarbeit GmBH, als Interessenvertreter des Verbandes der Poroton-Hersteller e. V. Bochum, durch den Bundesverband der deutschen Ziegelindustrie e. V. oder durch das Ziegelforum e. V. den interessierten und nichtinteressierten Mitbürgern kundgetan. "Ziegelphysikalische" Darstellungen enthalten häufig am Ende den Hinweis: "PRS".

9. "Ziegelphysikalische" Darstellungen scheinen eng mit der Persönlichkeit des Autors verbunden zu sein. ..."

Fast forward ins jetzige Jahrtausend: Fast 20 Jahre sind vergangen, und die ziegelphysikalischen Mythen und Legenden sind noch immer im Umlauf! Das hätte sich Herr Güldenpfennig wohl nicht träumen lassen, als er seinen Artikel schrieb! Sollte man da angesichts solcher Robustheit der pseudowissenschaftlichen Thesen der Ziegelphysik selbige nicht zum urbanen Mythos par excellence des Baubereichs krönen?




Mythos 1: "Wärmedämmung dämmt nicht, weil sie die Sonnenwärme aussperrt"

Dämmung und Solarer Gewinn




Mythos 2: "Wärmedämmung dämmt nicht, weil der k-Wert (U-Wert) unter instationären Bedingungen ungültig ist"

Instationäre und Stationäre Betrachtung

Tip: Lesen Sie auch, wie Verfechter der Ziegelphysik diese Temperaturkurven kommentierten!




Mythos 3: "Wärmedämmung dämmt nicht, weil sich Temperaturänderungen in Dämmstoffen schnell ausbreiten"

Das Lichtenfelser "Experiment"

(Details zum Lichtenfelser "Experiment": Siehe entsprechende Kategorie auf der Link-Seite.)

Tip: Eine do-it-yourself-Variante des Lichtenfelser "Experiments" finden Sie auf der FAQ-Seite.

Treffendes Zitat: "Versucht jemand, durch große Gebäudemassen ohne gute Wärmedämmung Energie zu sparen, dann gleicht er einem Menschen, der seine Ausgaben nicht unter Kontrolle halten kann und dies dadurch auszugleichen sucht, daß er sich eine möglichst große Geldbörse anschafft." Von wem dieses Zitat stammt? Das müssen Sie schon selbst herausfinden! :-)




Mythos 4: "Der Energieverbrauch vermindert sich um die in der Wand eingespeicherte solare Energie"

Wohin die Wärme fließt

Nach den Lehren der Ziegelphysik speichern massive Mauern ebenso massive Mengen von Solarenergie ein und "verwalten" dann diese "Energiepolster". Soweit ist dies auch richtig. Der Knackpunkt liegt im Wort "verwalten". Ein Euphemismus, der dafür steht, daß Ziegelphysiker nicht genau wissen, was mit der eingespeicherten Solarenergie eigentlich im Detail geschieht. Was man nicht "weiß", kann man nur "glauben". Ziegelphysiker glauben fälschlich, der Energieverlust durch die Wand würde sich mehr oder minder um die eingespeicherte Solarenergie vermindern. Richtig ist, daß nur ein kleiner Teil der eingespeicherten Wärme auch innen ankommt. Der Großteil nimmt den Weg des kleineren (Wärme-) Widerstands und fließt nach außen ab.